KALI oder Hanna Gordziałkowska-Weynerowska (1918-1998)

KALI oder Hanna Gordziałkowska-Weynerowska (1918-1998)

To have as many hands as the Hindu goddess Kali, would be perfect.

I could put a brush in each one and them and paint madly.

(Hanna Weynerowska)

Weitab von ihrer Heimat lebte und wirkte im kalifornischen San Francisco über die ganze zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinweg eine polnische Malerin, die ihre Bil­der mit «Kali» signierte und von der man in Polen bisher aus verschiedenen Gründen nicht viel gehört hat. Hanna Gordziałkowska-Weynerowska gehörte dafür zu denjenigen Künstlerpersönlichkeiten, die im Westen bekannt waren und geschätzt wurden. Nach dem zweiten Weltkrieg wählte sie ein Leben in der Emigration und stellte ihre Arbeiten mit grossem Erfolg in den grössten Städten Europas aus, danach auch jen­seits des Atlantiks – in Kanada und in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die wertvollste Sammlung der Werke Hanna Gordziałkowska-Weynerowskas besitzt das Polenmuseum zu Rapperswil in der Schweiz. Sie zählt 75 Bilder.

Hanna Weynerowska wurde am 18. Dezember 1918 in Warschau geboren. Ihr Leben verlief in recht stürmischen und dramatischen Wendungen des Schicksals. Noch in der Zweiten Republik wurde sie 1936 an der Kunstakademie in Warschau Studentin der Malerei und fand den Weg in das Atelier von Tadeusz Pruszkowski, doch hatte sie infolge des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges keine Chance mehr, das begonnene Studium zu beenden. Da sie in einer ausgesprochen patriotischen Atmosphäre aufgewachsen war, legte sie Pinsel und Palette zur Seite und trat der Heimat­armee (Armia Krajowa, AK) bei. Nach Absolvierung der militärischen Grundausbildung wurde sie im Rang eines Oberleutnants in eine Einheit eingeteilt, die sich an Sabota­ge­aktionen wie der Beschädigung oder Zerstörung von Brücken, Eisenbahnschienen oder Tunnels beteiligte. Hier in den Reihen der AK legte sie sich das Pseu­donym Kali zu. Kali ist eine indische Göttin – die Verkörperung der Lebenskraft und gleichzeitig Kriegerin, Todesgöttin sowie Bezwingerin von Dämonen und der Kräfte des Bösen. Die junge Hanka Weynerowska wollte wie die indische Göttin eine ähnlich de­struktive Macht und mehrere Hände haben, um möglichst effektiv gegen die deutsche Okkupationsmacht vorgehen zu können. Von diesem Pseudonym, das sie vielleicht unter dem Einfluss der Erzählungen Rudyard Kiplings über Indien und die Dschungelgebiete Indiens angenommen hatte, wollte sie sich bis an ihr Lebensende nicht mehr trennen. Nach dem Kriege begann sie ihre Bilder eben so zu signieren. Seitdem träumte sie jedoch, wenn sie an die mehrhändige Göttin dachte, davon, nicht ein Gewehr, sondern einen Pinsel in jede Hand zu nehmen und wie verrückt zu malen.

Noch während des Warschauer Aufstandes geriet die Künstlerin in deutsche Kriegsgefangenschaft und wurde darauf ins Innere des Dritten Reiches gebracht. Nach dem Krieg lebte sie einige Jahre in Belgien, nahm ihre künstlerische Tätigkeit wieder auf und setzte ihr Studium an der Königlichen Kunstakademie in Brüssel fort. Dort heiratete sie Henryk Weynerowski – einen polnischen Ingenieur und Unternehmer, vor dem Krieg Eigentümer der Schuhfabrik „Leo“ in Bydgoszcz.

In den ersten Nachkriegsjahren reiste sie viel herum: in der Schweiz, Schweden, Luxemburg, England und Frankreich, wobei sie gleichzeitig ihre Werke ausstellte, unter anderem in Brüssel, London und Paris. Im Jahre 1950 verliess sie Europa und reiste zusammen mit ihrem Gatten nach Kanada, wo sie während ihres Aufenthaltes einen wahren Erfolgsreigen erlebte. Sie gewann viele Preise und namhafte Auszeichnungen, vertrat die Kunst Kanadas an den Internationalen Ausstellungen für moderne Kunst in Sao Paolo (Brasilien) und Caracas (Venezuela). Drei Jahre später siedelte Hanna Weynerowska in die Vereinigten Staaten von Amerika nach San Francisco über, liess sich dort endgültig nieder und erhielt 1958 die amerikanische Staatsbürgerschaft. Den wesentlichen Grossteil ihres Lebens in der Bucht des Hl. Franziskus verbrachte sie an der Robinhood Drive 191, wo sich ihr Haus mit einem gemütlichen Studio und ihrer Bildergalerie befand. Die Künstlerin bewohnte es mit ihrem Gatten sowie dem Hund Filip, der sie von ihrer Palette wegzureissen vermochte und sie zu Spaziergängen durch die bewaldeten Hänge des Davidson-Gebirges anzuregen wusste. Hanna Weynerowska starb am 20. Juni 1998 im Alter von 80 Jahren.

Hanna Kali Weynerowska ist eine starke Künstlerpersönlichkeit. Die Malerin fühlte sich in verschiedenen Gattungen und verschiedenen Malstilen sicher. Sie malte Landschaften, Stillleben und vor allem Porträts. Ihre Malerei unterlag im Lauf der Jah­re stilistischen Änderungen, die Resultat bewussten Suchens und Experimentierens waren, aber auch Folge des Aufgreifens von Inspirationen aus Malrichtungen, die sowohl zur Vergangenheit gehörten als auch zu denjenigen, die eben dabei waren, sich in der Kunstwelt Gehör zu verschaffen. Ihre ersten Werke schuf sie in einem Stil, der für die künstlerischen Trends des 20. Jahrhunderts charakteristisch ist, die sich durch eine hohe Sensibilität für die Qualität der Farben und die Texturen der Werke auszeichnen. Viele ihrer Gemälde entstanden unter dem Einfluss geometrisierender Richtungen und zeigten eine Tendenz zur Abstraktion, bei der die Künstlerin dicke, fast reliefartige Texturen und starke Konturen verwendete, die vereinfachte For­men umlaufen. Kalis Malerei fehlte es nicht an Reminiszenzen aus dem Realismus, der sich auf die Muster der niederländischen, spanischen und italienischen Renaissance-Malerei des 17. Jahrhunderts bezogen. Sie passte die handwerkliche Perfektion der alten Meister den neuen Anforderungen an, die alten Formeln der europäischen Primitiven an die Ausdrucksart der Mitte des 20. Jahrhunderts (und realisierte damit die ästhetischen Grundannahmen ihres ersten Meisters – Tadeusz Pruszkowskis).

 

In ihrem Testament vom Juni 1988 hat Hanna Weynerowska dem Polenmuseum in Rapperswil eine Sammlung von 86 ihrer Werke geschenkt. Jan Nowak-Jeziorański spielte eine wichtige Rolle bei dieser Entscheidung: Zuvor hatte er dem Museum eine Sammlung von Dokumenten und Objekten aus seinen Kriegs- und Nachkriegsaktivitäten als „Kurier aus Warschau“ und Direktor der polnischen Sektion von Radio Freies Europa übergeben sowie zahlreiche Kunstwerke, Grafiken und Aquarelle, alte Waffen, Karten, königliche Briefe und andere Handschriften. Allerdings musste die Künstlerin 16 Jahre warten, bis ihr letzter Wille erfüllt war. Dank der gemeinsamen Bemühungen des FBI und des Ministeriums für Kultur und Nationales Erbe wurden die lange gesuchten und als verloren geltenden Gemälde 2014 in Kalifornien gefunden und – im Einklang mit dem Willen der Malerin – dem Museum übergeben.

 

Obwohl Kali Weynerowska in der Emigration wirkte, banden sie ihre Kindheit, ihre Sehnsucht nach Polen und ihre Kunst immer sehr stark an Polen und tun dies weiter­hin. Dennoch hat ihre Arbeit bei polnischen Kunsthistorikern nie genügend Aufmerksamkeit gefunden. Die vom Polenmuseum in Rapperswil in den Jahren 2014 und 2019 organisierten Ausstellungen waren ein Versuch, diese Vernachlässigung gegenüber der Künstlerin auszumerzen und damit einen Beitrag zu der intensiven Forschung der letzten drei Jahrzehnte zu Fragen der polnischen Kunst im Exil des 20. Jahrhunderts zu leisten, deren Ziel es ist, die vergessenen und nicht erkannten Persönlichkeiten in das kollektive Gedächtnis und den wissenschaftlichen Kreislauf einzubinden. Diese Aufgabe ist umso schwieriger, als die Sammlung von Weynerowskas Werken den Weg nach Rapperswil ohne fundierte Dokumentation gefunden hat und alle Angaben über Leben und Werk der Künstlerin äusserst knapp sind.

Anna Tomczak

Übersetzung ins Deutsche: comiText Marco Schmid

Bibliographie (Auswahl):

  • A. Tomczak, „Hanna Weynerowska-Kali. Wystawa w Muzeum Polskim w Rapperswilu 20 czerwca – 20 sierpnia 2019 / Exhibition at the Polish Museum in Rapperswil June 20th – August 20th, 2019 / Ausstellung im Polenmuseum Rapperswil 20. Juni – 20. August 2019“, Rapperswil 2019
  • E.S. Kruszewski, „Listy znad zatoki świętego Franciszka – Kali“, Kopenhagan: Instytut Polsko-Skandynawski, 2017
  • E.S. Kruszewski, „Kali czyli magia pędzla: Hanna Gordziałowska-Weynerowska (1919-2000)“, [in:] „Archiwum Emigracji: studia, szkice, dokumenty“ 56 ( 2002/2003), s. 360-362
  • A. Buchmann, „Pinxit Kali – malarstwo Hanny Weynerowskiej w zbiorach Muzeum Polskiego w Rapperswilu“, [in:] „Materiały XXXVIII Sesji Stałej Konferencji Muzeów, Archiwów i Bibliotek Polskich na Zachodzie“, Muzeum Historii Polski w Warszawie i Biblioteka Polska Polskiego Ośrodka Społeczno-Kulturalnego w Londynie, 2017
  • W. Tomczykowska, „Hanka Kali Weynerowska“, [in:] „The silent heros. Polish Contributions to California. Part 1: Northern California, Hanka Kali Weynerowska“, The Polish Arts and Culture Foundation, 1990, s. 35-37
  • Archiv des Polenmuseums Rapperswil