Ein Stück polnische Heimat

Ein Stück polnische Heimat

Von Hans Rathgeb, Ehrenpräsident des Vereins der Freunde des Polenmuseums Rapperswil

Alle sechzig Jahre meines Erdendaseins durfte ich in meiner Geburtsstadt verleben, die mir und meiner Familie 1966 das Bürgerrecht verlieh. So weit ich mich zu erinnern vermag – ebenso lange währt meine Verbundenheit mit der stolzen Burg über unserer mittelalterlichen Stadt. Sie war mir stets – und eigentlich im wahrsten Sinne des Wortes – das Sinnbild aufragender Standhaftigkeit, gleichzeitig aber auch immer ein Stück polnischer Erde für heimatlose gewordene Landsleute. Derweil nach dem Zweiten Weltkrieg in Polen die kommunistische Herrschaft anfing, fand auch auf Schloss Rapperswil eine „Wachtablösung“ statt. Beinahe hätte man das Band der alten polnisch-schweizerischen Freundschaft ganz durchschnitten. Doch bald nach 1950 kamen die ersten Hilferufe aus aller Welt: die polnische Emigration konnte nicht verstehen, dass ihr altes Symbol am Zürichsee für immer verloren gehen sollte…

Glücklicherweise fanden die Polen ausserhalb ihrer Heimat auf Schweizer Boden bald Gehör. Der Freiburger Professor Alfred Bronarski, der Winterthurer Architekt Zdzislaw Pregowski, Aleksander Wasung in Genf, Dr. Jan Matus in Zürich und Konstanty Gorski in Genf fanden sich mit Schweizern wie Maria Hohl (Herisau), Dr. Theodor Gut (Stäfa), Ortsverwaltugratspräsident Dr. Alfons Curti (Rapperswil), Professor Dr. Alfred Loepfe (Luzern) und Dr. Ernst Eigen¬mann (Bern) zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, und so kennte am 1954 der neue Verein der Freunde des Polenmuseums Rapperswil gegründet werden.

Seit vollen drei Jahrzehnten wirkt nun diese Institution im bewährten alten Sinn und Geist des freiheitlichen und christlichen Polentums. Sie begann ihre Tätigkeit als zartes Pflänzlein, erhielt im Erdgeschoss des Schlosses vorerst eine kleine Gedenkstätte. Mehrere Ausstellungen über „Die Geschichte des Polenmuseums“ (1954), „Polens Freiheitskampf an der Seite der Alliierten 1939-45“ (1955), „Polnischschweizerische Freundschaft durch die Jahrhunderte (1959) und „Internierung der 2. Polnischen Schützendivision in der Schweiz 1940-1945“ (1965) ermöglichten den erwünschten Dialog über die Gegenwartsprobleme des polnischen Volkes.

Ich durfte die weitere Entwicklung auf Schloss Rapperswil aus nächster Nähe mitverfolgen – teilweise auch mitgestalten nämlich ab 1959 als Vorstandsmitglied und von 1966 bis 1981 als Präsident unserer Gemeinschaft. Und was haben wir in dieser Zeit erreicht? Vorab darf betont werden, dass der edle Geist und die grosszügige Unterstützung und Zusammenarbeit der Rapperswiler Ortsgemeinde eine der wesentlichen Grundlagen für die erfreuliche Entwicklung bildeten. Im Jahre 1969 konnte die Polnische Freiheitssäule als neuen Standort den schönen Platz vor dem Schlosseingang einnehmen, hoffentlich für alle Zeiten, denn sie ist ein Mahnmal zum Gedenken „an alle Völker, die um ihre Freiheit ringen“ – wie es auf der Erinnerungstafel bei der Säule heisst. Die Kosten jenes Unternehmens erreichten 51’000 Franken; sie konnten dank einer Taleraktion und einer noblen Spende von Dr. Julian Godlewski (Lugano) getilgt werden. Dieser grosszügige Freund und Gönner des Vereins hat in der Folge noch oft tief in die Tasche gelangt, sei es mit wertvollen Exponaten oder mit seiner Fondsäufnung mit l00’000 Franken.

Einen Glücksfall möchte ich die Mitwirkung von Ingenieur Janusz Morkowski (Dübendorf) nennen, denn diesem initiativen Organisator und Realisator verdankt das Rapperswiler Polenmuseum seine eigentliche Wiedererstehung. Im Jahre 1973 konnte unter seiner tatkräftigen Führung eine grosse Copernicus-Ausstellung in Rapperswil verwirklicht werden.

Nur zwei Jahre später – am denkwürdigen 21. Juni 1975 – konnte das neue Polenmuseum eröffnet werden. Gleichzeitig wurde die Grabstätte von Graf und Gräfin Plater de Broel sowie von Henryk Bukowski im gediegenen und würdigen Rahmen eines Ehrenhofs neu gestaltet.

Es wären noch etliche Glanzpunkte der Aktivitäten zu nennen, wie etwa die Milleniumsfeier des polnischen Christentums, die Ehrentage der Wahl des polnischen Papstes und die vielen unvergesslichen Gottesdienste – alles denkwürdige Marksteine am gemeinsamen Weg; unter der unabänderlichen wesentlichen Zielsetzung: der Hoffnung auf ein freies Polen im Zeichen eines nie erlahmenden frommen Christentums.