2022 – Das Jozef Mackiewiczs Jahr

10 Januar 2022

2022 – Das Jozef Mackiewiczs Jahr

Der Sejm der Republik Polen – in Anerkennung der Grösse seiner Leistungen, mit denen er beharrlich für die Ideen der polnischen Unabhängigkeit, der Freiheit und des freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker Mittel- und Osteuropas und des unerschütterlichen Widerstands gegen den Kommunismus eingetreten ist, sowie der universellen Werte seiner literarischen Prosa – legt das Jahr 2022 als das Jahr von Józef Mackiewicz fest – wurde in der Erklärung vom 29. Oktober 2021 geschrieben.

 

Józef Mackiewicz

Józef Mackiewicz (1902 Sankt Petersburg–1985 München) – polnischer Schriftsteller, Journalist und Publizist.

Er wurde in Petersburg als drittes Kind von Antoni Mackiewicz, Besitzer einer Firma, die Weine für den russischen Markt importierte, und Maria geb. Pietraszkiewicz aus Krakau geboren. Als 17-Jähriger nahm er am polnisch-bolschewistischen Krieg teil. Nach seiner Rückkehr von der Front nahm er ein naturwissenschaftliches Studium (u. a. Ornithologie) an der Universität Warschau auf, das er jedoch nicht abschloss. Anfang der 1920er Jahre beschloss er, seiner Leidenschaft für den Journalismus nachzugehen, und nahm eine Stelle bei der konservativen Vilniuser Tageszeitung Słowo /Das Wort/ an, die von seinem älteren Bruder Stanisław herausgegeben wurde. Er verfolgte aufmerksam die politischen Entwicklungen im bolschewistischen Russland und veröffentlichte Artikel darüber. Er reiste auch viel durch die östlichen Grenzgebiete, was zu einer Sammlung von Reportagen mit dem Titel Bunt rojstów /Der Aufruhr in den Sümpfen/ führte, die 1938 veröffentlicht wurde und in der Mackiewicz das harte Leben der Bewohner der Regionen Vilnius und Polesie darstellte.

Von November 1939 bis Mai 1940 war er Redakteur der polnischen Tageszeitung Gazeta Codzienna /Tageszeitung/ in Vilnius. In seinen Veröffentlichungen verurteilte er nationalistische Haltungen und förderte die „nationale Idee“, wobei er sich auf die multinationale kulturelle Tradition des polnisch-litauischen Republik bezog. Er kritisierte auch die Sanacja-Behörden, die Polen vor 1939 regierten. Seine unpopulären und kompromisslosen Ansichten machten ihm viele Feinde in polnischen Kreisen in der Region Vilnius.

1940, nach der Besetzung von Vilnius durch die Rote Armee, stellte er seine journalistische Tätigkeit ein und liess sich mit Barbara Toporska in Czarny Bór nieder, wo er als Holzfäller und Fuhrmann Geld verdiente. Doch schon ein Jahr später, als Vilnius unter deutsche Besatzung fiel, nahm der Schriftsteller eine Stelle bei der deutschsprachigen „Gońcu Codziennym“ /Tagesbote/ an. Er veröffentlichte dort mehrere Artikel mit antisowjetischem Charakter. Aus diesem Grund wurde er später der Kollaboration mit den Deutschen beschuldigt und vom Gericht der Heimatarmee in Vilnius zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde jedoch aufgehoben, und 1945 wurde Mackiewicz offiziell entlastet.Ein wichtiges Merkmal von Mackiewiczs Weltanschauung ist die unbeirrte und kompromisslose Kritik am Kommunismus. Diese Ideologie sah Mackiewicz als eine Gefährdung der menschlichen, individuellen Freiheit an, ja als grösste vorstellbare Gefahr für die gesamte Menschheit.

Das Jahr 1943 war für Mackiewicz ein besonderes Jahr. Der Schriftsteller war Zeuge der Exhumierung der Leichen der in Katyn ermordeten polnischen Soldaten. Der Bericht über diese Erfahrung wurde in Form eines Interviews in „Goniec Codzienny“ /Tagesbote)/veröffentlicht. Mackiewicz erklärte unmissverständlich, dass das Verbrechen von Sowjets begangen wurde.

Als die Rote Armee 1944 das Gebiet der Zweiten Polnischen Republik erneut besetzte, emigrierten der Schriftsteller und seine Frau nach Italien. Dort veröffentlichte er seine schockierenden Memoiren in der Wochenzeitung „Orzeł Biały“ /Weisser Adler/ : Ponary-Baza, ein Bericht über das Massaker an den Juden in der Region Vilnius, und Dymy nad Katyniem / Rauch über Katyń/. Ausserdem widmete er sein Werk dem Massaker von Katyn im Lichte der Dokumente (1945-1946), das 1951 in englischer Übersetzung veröffentlicht wurde.

In den Jahren 1947-1955 hielt sich der Schriftsteller mit seiner Frau in London auf, wo er seine journalistische Tätigkeit fortsetzte, indem er mit den Londoner „Wiadomości“ und der Pariser „Kultura“ zusammenarbeitete. Die schwierigen materiellen Bedingungen und die Möglichkeit, eine bessere Arbeit zu finden, veranlassten das Paar jedoch zum Umzug. Sie liessen sich in München nieder und blieben dort bis zu seinem Tod im Jahr 1985. Diese Zeit erwies sich für Mackiewicz als besonders wichtig. Damals entstanden seine wichtigsten Romane: Droga donikąd /Der Weg ins Nirgendwo/ ein Bild des Lebens in der Region Vilnius unter sowjetischer Besatzung, Lewa wolna, in dem der Schriftsteller den Verlauf des polnisch-bolschewistischen Krieges schildert, und Kontra, eine schockierende Geschichte über die Donsko-Kosaken, die im Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjets kämpften und im Rahmen des Abkommens von Jalta an Stalin ausgeliefert wurden. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Romane. 1974 wurde Józef Mackiewicz von der Abteilung für Slawistik der Universität von Kansas City für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen.

Trotz dieser Erfolge lebte der Schriftsteller bis zu seinem Tod im Jahr 1985 in grosser Armut. Seine kompromisslose Haltung und vor allem seine Liebe zur historischen Wahrheit führten dazu, dass er in verschiedenen Emigrantenkreisen als Persona non grata behandelt wurde und seine Texte in Polen nicht veröffentlicht werden durften. Als Zeuge der Geschichte verurteilte er offen die Verbrechen des Kommunismus und zögerte nicht, die Doppelzüngigkeit der grossen politischen Führer zu entlarven, was er in seinem Roman Kontra / Kontra /zum Ausdruck brachte. Bekannt für seine Abneigung gegen alle Ideologien und politischen Auseinandersetzungen, blieb er bis an sein Lebensende der historischen Wahrheit treu.

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