Małgorzata, wir erinnern uns!

24 September 2019

Małgorzata, wir erinnern uns!

Małgorzata Józefa Zakrzewska-Darlińska

11.05.1951 Wrocław – 24.08.2019 Bad Hönningen

Zwischen Rapperswil und Sevelen, dem Wohnort von Małgosia (so nannten wir sie offiziell im Museum, für Nahestehende war sie aber einfach unsere Asia), liegen 78 Kilometer.

Diesen Weg legte Małgosia mehrmals pro Woche zurück, um pünktlich ins Museum zu gelangen, wo sie oft als erste ankam, um das Schloss als eine der letzten unserer Gruppe zu verlassen.

Ins Museum kam sie an einem Sommertag des Jahres 2006 als Besucherin, begleitet von ihrer Cousine Ewa Zakrzewska. Im Verlauf des ersten Gesprächs erzählte ich unter anderem vom ständigen Mangel an Personen, die sich für die Freiwilligenarbeit zur Verfügung stellten.

Darauf sagte der Blondschopf Asia mit dem ihr eigenen verschmitzten Lächeln: „Ich werde kommen und mitmachen“.

Sie begann ihre Mitarbeit entsprechend ihrer Ausbildung zunächst in der Bibliothek, denn sie hatte an der Universität von Wrocław (Breslau), ihrer Heimatsstadt, ein Studium in Bibliothekswissen­schaft absolviert.

Sehr schnell wechselte sie aber ins eigentliche Museum und übernahm von Dr. Tere­sa Sandoz-Romanowska die Funktion der Administratorin. Ihr Aufgabengebiet war äusserst umfangreich: sie zeichnete für das Funktionieren des Museums wie auch für die Überwachung von dessen Finanzangelegenheiten verantwortlich, ferner für die Einsatzpläne, für die Vernissagen zu den Ausstellungen, für die Konzerte, und vor allem für die Kontrolle der Objekte in der ständigen Ausstellung wie für diejenigen in den Magazinen. Małgorzata erledigte dies alles mühelos ohne jegliches Klagen, dazu hatte sie immer auch eine gute Laune und oftmals, wenn nötig, eine beissende Bemerkung. Sie hatte sofort verstanden, dass die Arbeit in unserem Museum eine Teamarbeit ist, und nahm an allen Unternehmungen teil. Sie hatte keinen Schatten eines Selbstverwirklichungstriebes, das Wohl des Museums stellte sie über alles andere. Sehr schnell gewann sie diese Arbeit lieb, immer fröhlich und voller Charme trat sie mit den Besuchern und Gästen des Museums in Kontakt.

Ihr verdanken wir die Gewinnung vieler neuer Mitglieder, Gönner und Sympathisanten für den Verein der Freunde des Polenmuseums.

Für sie war es ganz selbstverständlich, dass auch die Familie, insbesondere ihr Gatte Andrzej, ihren Beitrag an die Entwicklung des Museums beizutragen haben. Mał­gosias Interesse am Museum endete nicht mit dessen Schliessung am Abend.

Wenn wir uns einen ganzen Tag nicht gesehen hatten, gab es am Abend eine sog. „Museumsandacht“. Małgosia rief an und erzählte, was gelaufen war, was für Gäste im Museum gewesen sind, was noch zu tun sich lohnte, damit die Besucher noch zu­friedener wären. Wir planten dann zusammen die weiteren Arbeiten. Diese „Museumsandachten“ führten wir auch weiter, als Małgosia nach Deutschland umgezogen war. Bis an ihr Lebensende interessierte sie sich lebhaft für die Belange und das weitere Schicksal des Museums.

Anlass für den Entschluss, sich dieser Arbeit zu widmen, war für Małgosia nicht die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit. Denn in dieser Institution kann man sich nicht den Lebensunterhalt verdienen, vielmehr wählt man dieses Arbeitsmodell, das einem eine grosse Portion Idealismus abverlangt, in vollem Bewusstsein dieser Tatsache. Und der Liebe Gott hat Małgosia mit einem überreichen Mass an Idealismus ausgestattet. Sicherlich hat sie diese Verpflichtung zur Pflege der polnischen Tradition und Kultur auch von ihrem Elternhaus mitgenommen. Aufgewachsen in einem gebildeten Milieu trug sie alle Anzeichen in sich, die als gemeinsamer Nenner dieser Schicht gel­ten kann: eine guten Ton (wenn auch oft unter Beigabe einer Dose von Sarkasmus, der aber nie boshaft war), eine gepflegte Umgangsart, gutes Benehmen sowie die Kunst sich selber zu sein. Die Wurzeln hatte ihre Familie in Lwów, die Grosseltern waren Ärzte, ihr Vater war Professor an der Technischen Hochschule von Wro­cław. Die Mutter Stanisława, geborene Trzaska, hatte ein Pharmaziestudium absolviert. Den für die Kultur Lembergs charakteristischen Wesenszug hatte Małgosia verinnerlicht: die Treue zu den einmal gefassten moralischen Grundsätzen, die Empfind­samkeit für auftretende Ungerechtigkeiten und die entschiedene Ablehnung all dessen, was schlecht ist.

Ihre Wesensart – eine Mischung aus Charme und Widerborstigkeit – sowie ihre Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit verschafften ihr viele Freunde und rief bei neuen Bekanntschaften sofort Sympathie hervor. Das offene Haus, das sie mit ihrem Gatten Andrzej führte, war ein sicherer Hafen für alle – sie kochte sehr gerne, und ihre Nuss­torten wie auch ihre Biskuitkuchen sind in die Geschichte eingegangen.

Der Beschluss, die Arbeit für das Museum zu beenden, wurde von den Plänen eines Wohnortswechsels noch beschleunigt. Die Schweiz war nur eine der Etappen in ihrem Leben. Die Zeit als Rentner wollten Małgosia und Andrzej nach gemeinsam gefassten Plänen in der Nähe des Sohnes im Raum Köln verbringen. In Bad Hönningen kauften sie ein Stück Land an einem Waldrand und begannen mit dem Bau eines Hauses, dessen Gestalt und Zimmereinteilung sie genau geplant hatten. Wichtig war für Małgosia der Garten. Sie hatte ihn bis ins letzte Detail geplant. Die unerwartete und brutale Diagnose der tödlichen Krankheit hat all ihre Pläne unterbunden sowie alle Hoffnungen und Projekte zunichtegemacht. Małgosia gab aber nicht auf. Sie kämpfte auf jegliche denkbare Art und Weise gegen die Krankheit. Ihre Stärke und Willenskraft riefen bei uns eine riesige Bewunderung und Achtung hervor.

Ihren Weggang haben wir nur mit grossem Schmerz ertragen können – sie war der gute Geist des Museums, eine ausgezeichnete Mitarbeiterin und eine loyale Freundin, mit der man rechnen und der man vertrauen konnte.

Während des Studiums hatte sie ihren Gatten Andrzej kennengelernt. Seither waren sie über 40 Jahre lang ein in grosser Liebe einander ergebenes Ehepaar. Gemeinsam haben sie zwei Söhne grossgezogen: Jacek und Grzegorz.

Andrzej und den beiden Söhnen spreche ich unser tief empfundenes Beileid aus.

In Namen des Vereins der Freunde des Polenmuseums, der Stiftung Libertas und allen Mitarbeitenden im Museum

Anna Buchmann

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